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Zeitschriften zu Geschichte - ein Überblick



Eine Geschichte der radikalen linken Bewegungen seit 1980 existiert bislang kaum. Bei den Versuchen der Geschichtsschreibung in Buchform, die eine eminente Bedeutung allein schon dadurch erlangten, daß sie lange Zeit die einzigsten waren die überhaupt existierten, sind der Band "Die Autonomen" von Schultze/Gross im Konkret-Verlag und die Veröffentlichungen des Berliner Autonomen-Häuptlings Geronimo zu nennen. Von ihm liegen im iD Verlag mit "Feuer und Flamme" zwei Bände zur Geschichte der Autonomen und der dritte Band seiner Triologie im Unrast-Verlag vor. Desweiteren gibt es etliche Dokumentenbände (z.B. zur RAF, zu den Revolutionären Zellen/Rote Zora oder zur Frankfurter StudentInnenzeitung diskus) und einige, grösstenteils vergriffene, Bücher zu einzelnen Teilbereichsbewegungen, etwa zur Internationalismus- oder zur Anti-AKW-Bewegung. Ein - in meinen Augen sehr gelungener - Versuch einer linken Geschichtsschreibung "von unten" ist das Interviewbuch zum Autonomie-Kongreß 1995 (noch erhältlich über AurorA). Eine gewisse Rolle als Quelle spielt auch die "Memoiren"-Literatur, z.B. die Bücher von Inge Viett, Margit Schiller oder Irmgard Möller. Nicht zu vergessen wäre der Nachdruck der Geschichtsserie aus der radikal im Buch "Gegen das Vergessen" (ebenfalls bei unrast). "Gegen das Vergessen" endet aber mit seiner Darstellung Mitte/Ende der 50er Jahre und damit just an dem Zeitpunkt, an dem eine Zeitgeschichte der radikalen Linken beginnen könnte.

Bücher sind auch nach Jahren über Antiquariate und szenenahe Versandunternehmen wie Anares, und Schwarzer Stern mit dem Schwerpunkt undogmatische, radikale Linke bzw. Che und Chandler und Helle Panke für die eher dogmatische, DDR-nahe Linke, erhältlich. Anders sieht es mit dem weiten und unübersichtlichen Markt sogenannter grauer Literatur aus. In dieser schnell vergänglichen Form gibt es dutzende von Textsammlungen, Interviews und anderen Texten zur Geschichte der linken Bewegungen. Das gleiche gilt für Einzeltexte, die aber noch schwerer greifbar sind, da sie sich, etwa in autonomen Regionalinfos oder auch Themenzeitschriften, zwischen Dutzenden anderer Artikel "verstecken". Hinzu kommt, dass ältere Exemplare von Zeitschriften meist nur noch in Infoläden oder Bewegungsarchiven zugänglich gehalten werden. Die vorliegenden Beiträge zur Geschichte der radikalen Linken handeln relativ traditionell politikgeschichtlich die grossen Ereignisse, die Zeitschriften und Kampagnen ab, oder sie sind eine Ansammlung von Dokumenten, die nachgedruckt werden (dazu gehört z.B. auch das Hoch die-Plakatebuch). Solche Bücher sind notwendig, reichen aber bei weitem nicht aus, die vielfältigen politischen Szenen und Strömungen, die persönlichen Motivationen der (damals) Handelnden und ihre Alltagskultur sichtbar werden zu lassen [1]. So gesehen steht die Geschichtsschreibung der radikalen Linken heute noch dort, wo die Geschichtsschreibung der Arbeiterbewegung Mitte der 70er Jahre stand: vor der Neuerungsidee der Alltagsgeschichte. Es ist höchste Zeit dieses Defizit aufzuheben! Die Geschichte(n) der radikalen Linken sind also noch zu schreiben. Eine kleine Hilfe können dabei die mehr oder weniger akademischen Zeitschriftenprojekte sein, die hier kurz vorgestellt werden sollen. Sie werden entweder von sich als kritisch oder gar "links" verstehenden WissenschaftlerInnen produziert und/oder widmen sich der Geschichte der Arbeiterbewegung, der Frauen und der "kleinen Leute". Die nachfolgend referierten Medien sind jeweils mit einigen bibliographischen Angaben versehen.

Die erste der grossen hier in Frage kommenden Zeitschriften ist die Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, IWK (seit 1965, 4 x jährlich, 152 S., 10,23 EUR, Adresse: FU Berlin, OSI, IWK-Redaktion, Ihnestr. 22, 14195 Berlin; Auflage ca. 800). Sie ist die wichtige sozialdemokratische Zeitschrift zum Thema und entstammt dem universitären Kosmos. In den 70er Jahren war die Geschichte der Arbeiterbewegung und der Arbeiterkultur angesagter als heute, so daß die IWK ihre besten Zeiten auch hinter sich hat. Inhaltlich wird aber nicht nur über sozialdemokratische Strömungen berichtet, das Spektrum reicht hier von AnarchistInnen über Nationalsozialismus und Arbeiter in der DDR bis hin zu christlichen Gewerkschaften oder Genossenschaften. Die IWK veröffentlicht regelmässig eine übersicht über Forschungsprojekte zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Die Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung (seit 1959, 4 x jährlich, 148 S. A 5, 10 DM, Trafo Verlag Weist, Finkenstr. 8, 12621 Berlin) erschienen bis 2001 im trafo Verlag. Nach Differenzen zwischen Redaktion und Verlag gibt die (ehemalige) BzG-Redaktion nun in eigener Regie das Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung heraus (mehr Info). Die erste Nummer erschien im 1. Quartal 2002 (Mail an die Redaktion). Ob die alte BzG noch weiter erscheinen wird, ist momentan fraglich, da sich der Verlag schon drei Ausgaben im Verzug befindet. Die BzG war vereinfacht ausgedrückt das inhaltlich-ideologische Pendant zur IWK in der DDR. Der entscheidende Unterschied war der, daß die BzG vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED herausgegeben wurde und die IWK von einem Zuammenschluss von Professoren und deswegen viel unabhängiger war. Nach dem Anschluß existierte die BzG weiter und hat mittlerweile etliche Verlagswechsel hinter sich. Inhaltlich ist, so zumindest mein Eindruck, das Spektrum der Themen der publizierten Beiträge sogar enger als in der IWK, was unter anderem am (Über-)Gewicht liegen dürfte, das pensionierte oder entlassene DDR-Historiker unter den AutorInnen der BzG haben. Viele Beiträge a la "die Holzarbeiter in Sachsen 1848-1878" (die es aber auch in der IWK gibt) sind wirklich nur noch von historischem Interesse.
Der Marxistische Arbeitskreis zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung der PDS gibt mit GeschichtsKorrespondenz eine kleines, für die hier in Rede stehenden Problematiken aber nur bedingt brauchbares Peroidikum heraus, das kostenlos bezogen werden kann.

In den 80er Jahren gab in der BRD eine relativ grosse Bewegung von Geschichtswerkstätten, in denen sich feministische, gewerkschaftliche und anders motivierte alternative (Hobby-)HistorikerInnen zusammengeschlossen hatten. Sie brachten die Geschichte derjenigen Schichten und Klassen in die öffentlichkeit, die bislang von der etablierten Geschichtsschreibung ausgeschlossen worden waren: die sog. Unterschichten, Frauen, die nicht parteigebundenen Strömungen der ArbeiterInnenbewegung usw. Dabei verwandten sie unter anderem die neue Methode der sog. "oral history", d.h. durch Befragungen von noch lebenden Zeitzeugen versuchten sie erfolgreich andere Quellen der Geschichtsschreibung zu nutzen und zu propagieren. Die traditionelle Geschichtsschreibung hatte bis dahin vor allem geschriebene Dokumente etwa (meist amtliche) Akten aus Archiven oder Zeitungen als Quellen genutzt. Die AktivistInnen der Geschichtswerkstätten setzten dem das Motto "Grabe (= forsche) wo du stehst" entgegen und untersuchten die Geschichte ihres Betriebes oder Stadtteils. Der Zusammenschluss dieser Geschichtswerkstätten gab ab Mitte der 80er Jahre die 1992/93 eingestellte Zeitschrift Geschichtswerkstatt heraus. In einem unübersichtlichen Prozess entstand 1992 daraus die noch heute erscheinende WerkstattGeschichte. (seit 1992, 3 x jährlich, ca. 128 S., Einzelheft 14 EUR, Klartext Verlag, Hesslerstr. 37, 45329 Essen (mehr Infos)). WerkstattGeschichte enthält aber im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin kaum noch Beiträge von NichtakademikerInnen und ist mittlerweile zu einem politisch harmlosen Forum universitätsbezogener Publikationspraxis geworden. Es dürfte nicht sehr gewagt sein, zu vermuten, daß die Umgründung 1992 vor allem von den Leuten betrieben wurde, die Interesse daran hatten, aus der damals auch schon am Abklingen gewesenen Bewegung der Geschichtswerkstätten noch ein Pfund im Kampf um universitäre Posten zu machen.
Für das Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen (seit 1988, 4 x jährlich, 136 S. A 5, 13,50 EUR, Verlag Lucius & Lucius, Gerokstr. 51, 70184 Stuttgart, ca. 500 AbonnentInnen) gilt im Grunde dasselbe. Es wurde zwar schon von WissenschaftlerInnen gegründet die Interesse an Bewegungsforschung (das gibt es wirklich als politikwissenschaftliche Forschungsrichtung!) hatten, entfernte sich aber zusehends von ihren noch halbwegs spannenden thematischen Heften der ersten Jahrgänge, die sich z.B. den neuen sozialen Bewegungen (nsB) und den Medien oder nsB und Gewalt oder nsB im ländlichen Raum widmeten. Von Zeit zu Zeit finden und fanden sich auch Artikel zur Geschichte der sozialen Bewegungen. Heute ist das Journal vor allem eine Plattform für modische Teildisziplinen aus Politikwissenschaft, Soziologie und Sozialpsychologie.
Das Journal der Jugendkulturen erscheint seit 1999 (Archiv der Jugendkulturen, Fidicinstr. 3, 10965 Berlin, 108 S., 10 EUR). Sie widmet sich der bunten Welt heutiger Jugend(sub)kulturen und ist sehr empfehlenswert.
Der Sozial- und Ideengeschichte der Umweltbewegung und dem verhältnis der Arbeiterbewegung zur ´Natur` widmet sich Grüner Weg 31a, die Zeitschrift des ECO-Archivs für Arbeiterkultur und Ökologie (seit 1987, vierteljährlich, ca. 56 S., A 5, Eco-Archiv im AROEK e.V., Bahnhofstraße 26, 34369 Hofgeismar). Die website des Archiv bietet auch ein Register aller bisher erschienenen Ausgaben. Vorbildlich!

An sich ausdrücklich als links verstehenden historischen Zeitschriften ist sozial.geschichte zu nennen. sozial.geschichte erschien bis Ende 2002 unter dem Namen 1999. Zeitschrift für die Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts (seit 1986, 3 x jährlich, ca. 192 S., 34 EUR/jahr, Verlag: Peter Lang AG, Jupiterstr. 15, CH-3000 Bern 15, Redaktion: Zeitschrift 1999, Postfach 101205, 28012 Bremen, Auflage ca. 800 Ex.) zu nennen. Die Zeitschrift hat immer den Schwerpunkt NS und Nachkriegzeit, will sich aber jetzt stärker internationalisieren und thematisch verbreitern: Themenschwerpunkte sollen u.a. sein: Entwicklungstendenzen des Weltsystems, "Ethnische Säuberungen", Grenzregimes und Völkermord; Gender History; Geschichte der NS-Diktatur; Geschichtstheorie; Geschichte der Sozialwissenschaften; Der Nahe und Mittlere Osten in Geschichte und Gegenwart; Migrationsgeschichte; Psychohistorie, Psychiatrie- und Medizingeschichte; Transkontinentale Arbeitergeschichte und Klassenverhältnisse; Die Vereinigten Staaten von Amerika; Wirtschaftsgeschichte und -theorie. Sie wird von der Stiftung für Sozialgeschichte herausgegeben. Diese Stiftung wird vor allem von Angelika Ebbinghaus und Karl Heinz Roth getragen. Roth hat seit ca. 1967 eine lange Geschichte in der radikalen Linken und galt in den 70er und 80er Jahren als einer der Vordenker der Spontis und später der Autonomen. Die Hamburger Stiftung gab in den 80er Jahren, damals noch unterstützt von Jan Reemtsma, wichtige Dokumentenbände etwa zur Geschichte von Daimler-Benz im Dritten Reich oder zu den zaghaften Bemühungen einer amerikanischen antifaschistischen Politik im Nachriegsdeutschland heraus.
Als zweite und auch schon letzte ist Archiv für die Geschichte des Widerstands und der Arbeit zu nennen (seit 1980, unregelmässig, zuletzt 2001, 872 S.; 44 DM, Redaktion: Wolfgang Braunschädel, Hustadtring 33, D - 44801 Bochum). Diese immer mehr das Gewicht eines Ziegels annehmende Zeitschrift veröffentlicht Beiträge zu unbekannten Stömungen, Aktionen und Personen der Arbeiterbewegung, aber auch Beiträge zur aktuellen Auseinandersetzung um politische Perspektiven, z.B. zur Kritik der Werttheorie von Robert Kurz. Ferner enthält sie einen sehr umfangreichen Teil mit Buchbesprechungen der einen guten und kritischen überblick über die erschienene relevante Literatur bietet. Ein Nachteil ist hierbei die unregelmässige Erscheinungsweise so daß die Rezensionen meist zu zwei oder drei Jahre alten Büchern sind. Der nicht ganz niedrige Preis ist beim ARCHIV aber gut angelegt, da es mit seiner linkskommunistischen Perspektive den Autonomen (soweit es die als Einheit noch geben sollte) noch am nächsten stehend dürfte. An Medien-Projekten, die vorrangig lokale oder regionale Verbreitung haben und einige der Endmoränen der Geschichte von unten-Bewegung darstellen, sind zwei etwas bekannter: Arbeiterbewegung und Sozialgeschichte. Zeitschrift für die Regionalgeschichte Bremens (seit 1998, 2 x jährlich, ca. 88 S. A 5, 7 EUR, H.G. Hofschen, Wielandstr. 17, 28203 Bremen) erscheint in Bremen. Sie enthält nur Beiträge zur Geschichte Bremens, behandelt hier aber ein sehr breites Spektrum, das von der APO-Zeit bis ins 18. Jahrhundert reicht. Ähnliches gilt für Geschichte quer. Zeitschrift der bayrischen Geschichtswerkstätten (seit 1992, 1 x jährlich, ca. 60 S. A 4, 6 EUR, Alibri Verlag, Postfach 100361, 63703 Aschaffenburg). Geschichte quer steht in der alten Tradition der Geschichtswerkstättenbewegung und berichtet aus der Arbeit bayrischer Geschichtswerkstätten in Metropole und Provinz.

An Projekten zur Frauen- und feministischen Geschichte sind mir drei bekannt, die ich aber alle sehr unregelmässig verfolge: Metis Zeitschrift für historische Frauenforschung und feministische Praxis (seit 1992, 2 x jährlich, ca. 140 S. A 5) hat dieser Tage ihr erscheinen eingestellt. Über die Gründe ist mir nichts bekannt. Sehr akademisch ist L´homme. Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft (seit 1990, ca. 132-164 S., ca. 34 DM). Ariadne schließlich ist ein Forum für Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte (seit 1985, 2 x jährlich, 72 S., 24 DM).

Die bislang aufgezählten Projekte enthalten von Zeit zu Zeit - das eine mehr das andere weniger oft - Beiträge, die für eine Geschichte der (radikalen) Linken vom Interesse sind. Zum einen, indem sie allgemeine Probleme der Geschichtsschreibung und der Geschichtspolitik diskutieren. Zum anderen, indem sie historische Vorläufer (soweit es sie gibt) der Linken vorstellen und nicht zuletzt, indem sie an der Geschichtsschreibung der Linken selbst mitwirken.
Beim Schreiben dieses Textes wird mir noch einmal deutlich, wieviele Zeitschriften zu Geschichte und historischen Themen es gibt - es dürften über 100 sein: Ein erster Überblick findet sich auf der Website H-Soz-u-Kult von einem Netzprojekt halbkritischer Sozial-, Wirtschafts- und KulturgeschichtlerInnen. Dort sind auch detaillierte Inhaltsangaben einiger Jahrgänge der allermeisten hier genannten Zeitschriften abrufbar.
Da der Nationalsozialismus und seine Folgen für ökonomie, Gesellschaft und Mentalitäten für die deutsche Sozialgeschichte sehr wichtig sind, sollen zum Schluss noch wenigstens fünf Zeitschriften dazu kurz vorgestellt werden. Sie bringen meist keine Beiträge zur Geschichte der Linken, aber manchmal etwas zu kritischer Geschichtsarbeit und Geschichtspolitik. Das Fritz Bauer Institut, ein von der Stadt Frankfurt und dem Land Hessen gesponsortes Forschungsinstitut zur Geschichte und Wirkung des Holocaust gibt halbjährlich ein Newsletter heraus, das kostenlos bezogen werden kann. Die Dachauer Hefte, eine Buchreihe bringt Beitrage zum Konzentrationslager Dachau, aber auch zu anderen Lagern (seit 1984, jährlich, ca. 226 S., 26 DM, Verlag Dachauer Hefte, Alte Römerstr. 75, 85221 Dachau). Das aktuelle Heft widmet sich den vielfältigen Aspekten der Zwangsarbeit. Die Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland (seit 1994, jährlich, ca. 200 S., 10,90 EUR, Verlag Edition Temmen, Hohenlohestr. 21, 28209 Bremen) werden von einigen Gedenkstätten im norddeutschen Raum herausgegeben. Sie veröffentlichen nicht nur Artikel zur Verfolgung, sondern auch zur Nachkriegszeit oder zu den Problemen von Gedenken und musealer Aufbereitung des NS heute. Die Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus hiessen bis zur Nummer 15 noch Beiträge zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik (seit 1985, jährlich, ca. 188 S., 17,40 EUR). Sie waren eine Zeitschrift einer kleinen Gruppe linksradikaler, in sozialrevolutionärer Tradition stehender HistorikerInnen (u.a. Susanne Heim, Götz Aly oder Ahlrich Meyer). Die Beiträge erforschten (ähnlich wie die oben erwähnte 1999) den Zusammenhang von Modernisierung und Vernichtung. Die Artikel lassen sich auch nicht mal eben im Vorbeigehen lesen, sondern sind schon relativ anspruchsvoll und detailliert und damit eher was für SpezialistInnen. Dass sich durch den mit Nr. 16 erfolgten Redaktions- und Namenswechsel auch eine inhaltliche Neuausrichtung ergibt, ist mittlerweile absehbar: Der Trend geht in Richtung konventionelle Geschichtswissenschaft. Ein Wechsel vom Szeneverlag Schwarze Risse zum etabliert-langweiligen Wissenschaftsverlag Wallstein ist bereits erfolgt. Ein sympathisches Überbleibsel aus DDR-Zeiten ist das vor allen von ehemaligen DDR-Historikern betriebene Bulletin für Weltkriegs- und Faschismusforschung (seit 1993, halbjährlich, ca. 144 S. A 5, 10 EUR, im Abo 7 EUR, Argument-Vertrieb, Reichenbergerstr. 150, 10999 Berlin, Auflage ca. 200; mehr Info). Das Bulletin ist das einzige Organ, das sich von einer ausdrücklich als links verstehenden Position mit dem zweiten Weltkrieg und dem Nationalsozialismus befasst. Es ist auch eher was von und für SpezialistInnen, überzeugt aber durch seinen antikapitalistischen und antifaschistischen Anspruch. Ideologisch ist andererseits in etwa dieselbe Verengung wie bei den oben erwähnten Beiträgen zur Geschichte der Arbeiterbewegung festzustellen.

    Dieser Text wurde erstmals (mit Stand Januar 2001) für die mittlerweile fast eingestellte Website der Infoläden geschrieben, und dort im April 2001 veröffentlicht. Er wird ab und an ohne Anspruch auf Vollständigkeit aktualisiert, zuletzt im Mai 2004. Alle Angaben ohne Gewähr. Die aktuellen sind auch auf den Verlags-Webseiten zu erfahren.
[1] Der berühmteste Wirtschaftshistoriker der DDR drückte das sehr trocken so aus: "Ich würde gerne den völligen Verlust aller Protokolle eines Parteitages einer Arbeiterpartei in den letzten 100 Jahren hinnehmen, wenn ich dafür erfahren könnte, wie die normalen Ortsgruppensitzungen, Zahlabende, Zellenabende der gleichen Partei in dem Jahr, für die das Protokoll verlorengegangen ist, verlaufen sind. Zumal ich aus der Arbeit der kleinen und kleinsten Unterorganisationen erfahren würde, wie sich die Praxis der Parteiarbeit verändert hat - und wenn sie sich nicht verändert hat, dann gab es entweder keine praxisverändernden Parteitagsbeschlüsse oder sie waren wirkungslos. Natürlich sind Parteitagsbeschlüsse wichtig, wenn sie sich durchsetzen, aber sie sind bedeutungslos, wenn sie im Alltag der organisierten Werktätigen keine Bestätigung finden.... Was sind denn die Hauptereignisse des Alltags der Werktätigen von 1870 vor unserer Zeitrechnung bis nach 1870 nach unserer Zeitrechung: Doch Arbeit, Essen und Geschlechtsverkehr. Und wie sahen die aus?", Jürgen Kuczynski: Erlebnisse beim Schreiben einer Geschichte des Alltags des deutschen Volkes seit 1600, in: Kultur und Lebensweise, Arbeitsmaterial des ZFA Volkskunde/Kulturgeschichte des Kulturbundes, Berlin/DDR 1981, Heft 1. S. 19 (zurück)

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