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Rezension

HKS 13 (Hg.): Hoch die kampf dem - Plakate autonomer Bewegungen

240 S. plus CD-Rom, 39,80 DM, Verlag Libertäre Assoziation/Schwarze Risse , Hamburg/Berlin 1999


Die Autonomen sind vorbei, sie sind zum Bestandteil der Geschichte sozialer Bewegungen geworden. Seit einigen Jahren ist (deshalb?) ein Boom an Geschichtsliteratur zu den Autonomen zu verzeichnen, der dem einschlägigen Marktsegment einige Bände mit Dokumenten (etwa der Revolutionären Zellen oder RAF), und Geschichtsbücher (zur Geschichte der Autonomen, aber auch zu der der Anti-AKW-Bewegung) beschert hat. Mit Hoch die kampf dem liegt nun eine beeindruckende und schön aufgemachte Dokumentation über Plakate linksradikaler und autonomer Bewegungen aus über zwei Jahrzehnten vor. Plakate einzelner Teilbereichsbewegungen, wie etwa Häuserkampf-, Internationalismus-, Anti-AKW- oder Antifabewegung werden abgedruckt, kommentiert und als ein in Einschränkungen brauchbares Spiegelbild dieser Bewegungen (und ihrer Veränderungen) verstanden. Desweiteren werden die Plakate politischer Strömungen wie etwa die an der RAF orientierten und heute fast ausgestorbenen Antiimps, oder zu bestimmten Anlässen, wie etwa dem (revolutionären) 1. Mai dokumentiert. Vertiefungen gibt es an der auffallend häufigen Verwendung von Kindern als Motiv auf autonomen Plakaten und zur grundsätzlichen Wirkung und Wahrnehmung von Plakaten und ihrer Produktion.

Das Buch ist durchgehend vierfarbig gedruckt und es ist nett darin zu blättern. Die einzelnen, jeweils von verschiedenen AutorInnen verfassten Kapitel sind aber von unterschiedlicher Qualität: Einige wirken etwas lieblos heruntergeschrieben (etwa der Beitrag zu antimilitaristischen Plakaten), während andere ausführlich auf die Problematiken der betroffenen Bewegung eingehen. Der Beitrag zur Internationalismusbewegung diskutiert z.B. sehr selbstkritisch die einfache Weltsicht dieser Bewegung und auch ihre Projektion der hier nicht aktuellen Revolution nach Mittelamerika. Die Plakate der autonomen FrauenLesbenbewegung vollziehen den Verfall des kollektiven Subjekts die "Frau", das sich nach der Rassismus- und Differenzdebatte "auflöste", nach. Insgesamt ist das Buch ein Bilderbuch im engeren Sinne des Wortes, mensch nimmt es nach der Lektüre kaum nochmal zur Hand, "arbeiten" lässt sich mit ihm nicht.

Das bei älteren unwillkürlich auftretende Schwelgen in Erinnerungen beim Betrachten der Plakate verbleibt aber privatistischer Konsum und animiert nicht zur Kritik der Verhältnisse. Der Grundtenor des Buches, was seine Kritik an der Bildpolitik historischer autonomer Bewegung angeht, hat einen schalen Beigeschmack. Das eingeschränkte symbolische Repertoire der autonomen Antifa und anderer (Faust, Stern, Fahne, ...) zu kritisieren, ist nicht besonders neu. Heute schlauer zu sein als, sagen wir 1986 oder auch 1990, ist wahrlich keine Kunst. Hinterher ist man immer schlauer. Interessant ist doch, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind. Jenseits dessen, daß sich einige autonome PlakatgestalterInnen mittlerweile in Internet-Design, visueller Kommunikation oder anderweitig als Bestandteil des Medienkapitalismus selbständig gemacht haben dürften und ihre Brötchen verdienen, herrscht zu den politischen Perspektiven auch im Buch gähnende Leere.

Dem Band ist eine CD-Rom beigelegt, die fast 3000 Plakate enthält, die komplette Plakatsammlung des Hamburger Archivs der sozialen Bewegungen. Die Plakate können in einer Suchfunktion über Jahreszahlen, Orte, aber auch frei wählbare Stichworte abgefragt werden. Das Suchprogramm ist relativ simpel zu bedienen und braucht als Systemvoraussetzung mindestens Windows 95.

Bernd Hüttner

Erschienen in Contraste, Dezember 1999

Aktuelle Anmerkung (April 2002): Das zweite Plakate-Buch mit neuen inhaltlichen Beiträgen und einer noch umfangreicheren CD-ROM ist erschienen. Mehr Infos beim Verlag Schwarze Risse.

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