Ein Wegweiser zu Bibliotheken und Archiven der neuen sozialen Bewegungen

Bernd Hüttner, Begründer des Archivs der sozialen Bewegungen Bremen, ist es zu danken, daß nun ein Verzeichnis vorliegt, in dem 276 Archive und Bibliotheken des deutschsprachigen Raumes erfaßt sind, von denen Materialien neuer sozialer und gesellschaftskritischer Bewegungen gesammelt werden.1 Dies ist eine Publikation aus der Praxis für die Praxis. Hier sind nicht nur Adressen und Profile aufgelistet, sondern hier findet der Benutzer Auskünfte über Geschichte, Situation, Leistungen und Sorgen der "Archive von unten", Tips für die Archivnutzung, Literaturempfehlungen (mit einer ausführlichen Vorstellung der "Mitteilungen" unseres Förderkreises), zweckdienliche Internetadressen, Register. Auch die aufschlußreiche Werkstattgeschichte dieses Readers, dessen Zustandekommen finanziell von der Rosa-Luxemburg-Stiftung e.V. unterstützt wurde, ist nicht ausgeblendet. So sind auch Grenzen dieses Überblicks markiert, die vor allem dem unterschiedlichen Rücklauf der versandten Fragebögen geschuldet sind. Eingangs verweis Hüttner darauf, daß die meist von ehrenamtlicher Arbeit getragenen Einrichtungen in der Regel keine strenge Unterscheidung zwischen Archiv und Bibliothek kennen. Was sie verwahren, ist überwiegend Sammlungsgut, und das umfaßt alles in allem Bücher, Zeitschriften, Zeitungen und Presseausschnittsammlungen, graue Literatur, Dissertationen und Diplomarbeiten, Plakate und Flugblätter, Fotos und Postkarten, Audio- und Videokassetten, Aufkleber, Sticker und Buttons u.a.m. Akten im eigentlichen Sinne bilden eher die Ausnahme, denn es handelt sich meist nicht um Archive von Organisationen, sondern um Einrichtungen, die eigens geschaffen wurden, damit sonst unwiederbringlich verschwindende historische Zeugnisse gesammelt und aufbewahrt werden.

Im "Adress-Teil" überschriebenen Hauptteil der Publikation werden die einzelnen Institutionen in folgenden Gruppierungen vorgestellt: Größere themenübergreifende Archive – Netzwerke (hier taucht auch unser Förderkreis auf) – Feministische und Frauenarchive (die in beträchtlicher Zahl existieren) – Archive von überregionaler Bedeutung zu einzelnen Themen (Antifaschismus, Arbeiterbewegung/Sozialgeschichte, Bürgerbewegung/DDR-Opposition, Innere (Un)Sicherheit/Repression, Internationalismus, Kultur, Militanz/Anarchismus, Nationalsozialismus, Ökologie, Parteien, Schwule) – Weitere Archive sozialer Bewegungen (geordnet nach Postleitzahl, Österreich, Schweiz, Tschechien). In der Regel werden diese Einrichtungen mit Adresse, Telefon- und Fax-Nr., E-Mail- und Internetadresse, Öffnungszeiten vorgestellt. Soweit dem Autor die erbetenen Informationen zugesandt wurden, sind die Archive und Bibliotheken mit folgenden Angaben ausführlicher charakterisiert: Angebote und Dienstleistungen, Technische Ausstattung für NutzerInnen, Archiv- und Bestandsprofil, Erschließungsstand, Themenschwerpunkte, Veröffentlichungen.

Wer sich mit Rolle und Geschichte zeitgenössischer außerparlamentarischen Bewegungen (vor allem der Zeit ab 1968) beschäftigt, deren Dokumente und Überlieferungen nur in Ausnahmefällen in staatliche oder große öffentlich rechtliche Archive und Bibliotheken gelangen, wird ohne diesen Wegweiser nicht auskommen.

Günter Benser

Veröffentlicht in: Mitteilungen des Förderkreises Archive und Bibliotheken zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Nr. 25, Berlin März 2004.