600 bis 800 Jugendliche und Junggebliebene aller Couleur nehmen im Juni 1986 an dem berühmt gewordenen Festival der kirchlichen "Offenen Arbeit" in Rudolstadt in Thüringen teil. Dieses kurz "Jugend 86" genannte Treffen wird auch von circa 100 Punks besucht. Die neuste Veröffentlichung des Thüringer Archivs für Zeitgeschichte "Matthias Domaschk" (ThuerAZ) dokumentiert dieses Festival aus verschiedenen Perspektiven. Den Anfang macht ein längeres Gruppeninterview von verschiedenen an dem Festival aktiv beteiligten ZeitzeugInnen, das den Vorlauf des Festivals dokumentiert und zeigt, dass dieses oppositionelle Festival zwar nicht ein Bekenntnis pro DDR, aber eines von kirchlichen und anderen Oppositionellen gegen die weitverbreitete Übersiedlung von Oppositionellen in den Westen sein sollte. Danach folgen Fotos, die von den VeranstalterInnen gemacht wurden. Katharina Lenski vom ThuerAZ zeichnet dann die staatlichen Versuche nach, das Festival zu verhindern, und als dies nicht gelingt, es zu behindern und einzuschränken. Die rasanten Veränderungen in der Jugendkultur am Beginn der 80er Jahre konnten vom Überwachungssystem schwer nachvollzogen, geschweige denn hingenommen werden. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) macht diese Art von Jugend als Feind der sozialistischen Ordnung aus, sieht aber gleichzeitig noch eher als die lokalen und regionalen Parteiinstanzen vor Ort ein, dass solche Events auch ein notwendiges Ventil für die Jugend sind. Die zweite Hälfte des Bandes bilden Dokumente. Zum einen Texte, Abschriften von Tonbandmitschnitten und Auswertungsstatements der Veranstalter, die den - aus heutiger Sicht erschreckend harmlosen - Charakter dieses Festivals deutlich machen. Zum anderen Originaltexte des MfS u.a. mit einer Liste "illegaler Punkgruppen", die vor allem in kirchlichen Räumen auftraten. Irgendwie drollig sind die Fotos, die das MfS während des Festivals machte und symptomatisch die dazugehörigen Kommentare, die krampfhaft versuchen, den Jugendlichen antisozialistisches Verhalten anzudichten ("öffentliches Urinieren im Kirchengelände"). Die Bevölkerung war übrigens damals überhaupt nicht begeistert: In bewährter Manier werden in Rudolstadt Lösungen zur Behebung des Problems vorgeschlagen: einsperren, erschießen und mehr, es gab ja bewährte Traditionen. Volk und Staatsapparat ergänzen sich in ihren kleinbürgerlichen Moralvorstellungen und ihrem sozialistisch verbrämten Spießertum. Das Buch knüpft damit an den im Jahre 1999 erschienenen Fotoband des ThuerAZ über die beiden Festivals JUNE 78 und JUNE 79, ebenfalls in Rudolstadt, an. "´JUNE 78´ war so etwas wie unser Woodstock", dann war ´Jugend 86` nahe an unserem Altamont", so ein Pfarrer und Zeitzeuge im Roundtable-Gespräch trocken (S. 33). Gute drei Jahre nach dem Festival "Jugend 86" war die DDR am Ende. Bernd Hüttner Bestellungen per Mail archiv@thueraz.de oder telefonisch 03641-228605